Donnerstag, 3. August 2017

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Mein ganzer Körper war umhüllt, umhüllt von dieser tödlichen Flüssigkeit. Ich wollte einfach loslassen. Mich loslösen von dem dauerhaft Kampf und meinem Körper erlauben sich zu entspannen. Die Bemühungen aufgeben, allen zu zeigen, dass es mir gut ginge. Niemand würde meine Tränen hier sehen. Ich öffnete meinen Mund einen Stück, sodass das Wasser hineinlief und mein Mund ausfüllte, ich atmete aber nicht ein. Es schmeckte nicht wie das salzige Wasser im Meer, aber meine unterdrückten Erinnerungen kamen trotzdem wieder hoch. Wir hätten das Boot nicht verlassen sollen. Ich hörte die verzweifelte Rufen von meinem Vater nach mir im meinem Ohr wiederhallen, wollte zurück schreien ‚Hier‘, aber er würde mich wieder nicht hören können. Es gibt Momente in denen ich immer noch ertrinke. Es passiert mir meistens mitten in der Nacht, wenn ich aus einem meiner Albträume erwache. Ich schnappe dann nach Luft, aber meine Lunge verweigert sich einfach diese aufzunehmen. Das fühlt sich so an, als würde sie sich verkrampfen. Aber dann plötzlich, kann ich die Luft wieder einziehen, ganz tief. Sowie an dem Strand, wo ich angespült wurde und ein Tourist mir das Leben gerettet hatte. Hätte er das nicht getan, wäre ich jetzt bei meinem Vater. Ich hatte von der Polizei gehört, als sie es meiner Mutter erzählten und ich oben am Treppengeländer lauschte, dass er sich den Kopf an dem Boot aufgeschlagen hatte. Jedoch hatte ihn diese Kopfverletzung nicht umbracht – er hatte nur sein Bewusstsein verloren und war dann langsam ertrunken. Meine Mutter setzte sich manchmal in das alte Boot, dass wir seit dem Unfall hinter dem Haus stehen haben und weint. Es fühlt sich so an, als wäre an diesem Tag die Zeit stehen geblieben. Sie gibt mir die Schuld dafür. Das wusste ich, sie hatte es mir zwar nie direkt gesagt, aber ich hab es an ihrem Verhalten mir gegenüber gemerkt. Ich hatte mich aber inzwischen damit abgefunden und versuchte einfach weiterhin stark zu sein. Einfach weiter zu leben. Ich tauchte wieder auf, schluckte das Wasser hinunter, das ich noch im Mund hatte und mit diesem auch meine Gefühle und Erinnerungen. Ich stieg aus dem Becken, schnappte mir mein Handtuch und verließ das Schwimmbad ohne einen Blick zurück zu werfen.

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Mein ganzer Körper war umhüllt, umhüllt von dieser tödlichen Flüssigkeit. Ich wollte einfach loslassen. Mich loslösen von dem dauerha...